Juli-Massaker

Ende Juli 1942 bereiteten Schutzpolizei, SD und Wehrmachtseinheiten die zweite „Großaktion“ vor, um „Platz“ für weitere geplante Transporte zu schaffen. Zwischen dem 25. und 27. Juli 1942 wurden neun Gruben ausgehoben, um die bevorstehende Massenexekution durchführen zu können. Am 27. Juli wurde den Jüdinnen und Juden eine zusätzliche Zwangskennzeichnung aufgebürdet - arbeitende Jüdinnen und Juden bekamen ein rotes, ihre nicht-arbeitenden Familienmitglieder und Arbeitslose ein grünes Abzeichen. Zuvor waren auch die Familienmitglieder der Arbeiterinnen und Arbeiter geschützt gewesen, dies sollte sich mit der kommenden „Aktion“ nun ändern.

Am 28. Juli 1942 wurde zunächst das komplette Gelände der russischen Jüdinnen und Juden abgeriegelt und von Wachmannschaften umstellt, danach trieben Hilfsmannschaften sie aus ihren Wohnungen und verluden sie auf Lastkraftwagen. Ca. 6.000 Personen wurden in den Wald von Blagowschtschina bei Malyj Trostenez gebracht und dort erschossen.

Bereits am nächsten Tag ging die „Großaktion“ auf die bis dato noch von solchen Massakern ausgenommenen „Sonderghettos“ über. Für die Tötung der Jüdinnen und Juden des „Sonderghetto II“ (meist aus dem Deutschen Reich) dürften vor allem Gaswagen eingesetzt worden sein. Sie fuhren zwischen dem Ghetto Minsk und Malyj Trostenez hin und her, und brachten die durch Abgase erstickten Personen zu den dafür vorgesehenen Gruben. An die 3.000 Jüdinnen und Juden wurden so Opfer der Mordaktion.

SS-Unterscharführer Gerhard Artl bilanzierte über die „Juli-Aktion“ in einem Tätigkeitsbericht:

            „Vom 25.7. bis 27.7. werden neue Gruben ausgehoben. / Am 28.7. Großaktion im Minsker russ. Ghetto. 6000 Juden werden zur Grube gebracht. / Am 29. 7. 3000 deutsche Juden werden zur Grube gebracht.”[1]

Diese Mordaktion betraf überwiegend Frauen, Kranke, Alte und nicht einsatzfähige Jüdinnen und Juden. Danach wurde das „Sonderghetto II“ aufgelöst und die übrigen verbliebenen Zwangsarbeitenden in das „Sonderghetto I“ umgesiedelt. Im Sommer 1942 lebten noch etwa 9000 Personen, davon 3000 „Reichsjuden“, im Minsker Ghetto.

Nachdem der Krieg für das NS-Regime im Osten ab 1943 verlorenzugehen schien, gab Heinrich Himmler im Juni 1943 den Befehl zur Auflösung aller Ghettos im „Ostland“. So begann auch die NS-Führung in Minsk am 1. September 1943 mit einer mehrwöchigen Auflösungsphase des Minsker Ghettos.

Nach und nach wurde ein Teil der noch im Ghetto befindlichen Jüdinnen und Juden auf Zügen, Lastkraftwagen oder zu Fuß in andere (Vernichtungs-)Lager wie Sobibor, Majdanek oder Auschwitz verschickt. An die 6.500 Jüdinnen und Juden aus Weißrussland und dem Reich wurden in der Zeit von Anfang September bis Mitte Oktober noch an Ort und Stelle beziehungsweise in Blagowschtschina erschossen oder in den Gaswagen ermordet. Zwischen 21. und 23. Oktober 1943 fand die Räumung des Ghettos durch Sicherheitspolizei und SD statt, und die letzten verbliebenen ca. 1.000 Insassen des Ghettos wurden vermutlich in Blagowschtschina ermordet.

Quelle:

[1] Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung”. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte Maly Trostinez. Berlin: Metropol. 2011. S. 148.